Autos werden zum rollenden Smartphone. Ohne Kabel per
Bluetooth mit dem Auto verbunden, lässt sich das Smartphone schon jetzt zum
Telefonieren nutzen, stellt die Verbindung zur Cloud her, ermöglicht die
Verwendung von Apps und lässt sich dabei mit Knöpfen am Lenkrad, per
Sprachsteuerung oder sogar durch Gesten bedienen. Der amerikanische Autokonzern
Ford geht jetzt noch einen Schritt weiter. „Unsere Autos sollen regelrecht ein
Teil des Internets werden“, sagte der Vorstandsvorsitzende Alan Mulally dieser
Zeitung in einem Gespräch am Rande der Elektronikmesse IFA in Berlin.
Wie wichtig Ford die Entwicklung ist, zeigt die
Tatsache, dass Mulally nur die IFA besucht, nicht aber die wenige Tage später
beginnende Automesse IAA in Frankfurt. Das ist umso erstaunlicher, als der
Autokonzern damit den Vorrang der Informationstechnik vor Motoren und PS
anerkennt. „Wir wollen wissen, wie unsere Kunden ticken. Mit dem Messeauftritt
haben wir die Chance, unser Image zu verbessern. Die Leute sollen wissen, dass
wir technisch weit vorne sind“, beschreibt Mulally sein Motiv für den Auftritt
auf der IFA. In Berlin hat Ford das Konzeptauto S-Max gezeigt – ein sogenanntes
Sports Activity Vehicle (SAV).
Das Besondere ist die Informationstechnik
Das Besondere daran ist nicht etwa ein neuer Antrieb
oder die Karosserie, sondern die Informationstechnik. Ford erweitert erheblich
die Bandbreite an Smartphone-Apps, die sich per Sprachsteuerung während der
Fahrt aufrufen und nutzen lassen. Die neuen Apps helfen Autofahrern etwa, die
besten Fahrtrouten zu finden, unterwegs Hotels zu buchen oder lotsen sie zu
Parkmöglichkeiten in fremden Städten. Das Wort App, das überhaupt erst mit der
Einführung des ersten iPhone von Apple in den Sprachschatz der Welt aufgenommen
worden ist, hat es Mulally sehr angetan – nicht durch Zufall taucht es als
Namensbestandteil in der neuen Technologie „Applink“ auf. „Diese Anwendung
erlaubt es, Smartphone-Apps während der Fahrt per Sprachsteuerung zu bedienen“,
sagt Mulally.
Das sei wichtig, denn Sprache sei eindeutig die
bevorzugte Steuerungsmethode der Kunden für komplexe Autoelektronik- und
Multimediasysteme. Das hätten die Erfahrungen, die Ford in den vergangenen
Jahren mit seinen verschiedenen Steuerungssystemen gesammelt habe, eindeutig
gezeigt. Ford hat das System „Applink“ als offene Plattform angelegt. Das
heißt, die Softwareentwickler anderer Unternehmen können sich ohne
Schwierigkeiten an der Fortentwicklung beteiligen. Denn Mulally ist es wichtig,
dass Ford enger an App-Entwickler heranrückt. Auch aus diesem Grund arbeiten
Ford und die Deutsche Telekom in der Entwicklung automobiler Apps künftig enger
zusammen. Die Telekom-Apps „Auto Read“ und „Ask Wiki“ sind fortan zum
sprachgesteuerten System von Ford kompatibel. „Auto Read“ liest eingehende SMS,
E-Mails und andere Nachrichten über das Audiosystem des Fahrzeugs laut vor. „Ask
Wiki“ liefert auf Anfrage Informationen aus der Online-Enzyklopädie Wikipedia.
Das erste offene
App-Entwickler-Programm in der Branche
„Dabei handelt es sich um das erste offene
App-Entwickler-Programm in der Automobilindustrie“, sagt Mulally. Das Ziel, das
Mulally damit verknüpft, ist so ambitioniert, wie dies bei Amerikanern in
solchen Fällen immer klingt: „Ford als solches soll zur mobilen App der Wahl
werden.“ Tatsächlich unterscheidet sich Ford insofern von deutschen
Premiumherstellern wie Audi, BMW oder Daimler, die auf geschlossene Plattformen
setzen, um die volle Kontrolle darüber zu behalten, welche Dienste in ihren
Autos angeboten werden. Ford hatte seine ersten sprachgesteuerten Apps schon im
Februar auf der Handymesse „Mobile World Congress“ in Barcelona präsentiert.
Die Amerikaner stellten dort eine Partnerschaft mit dem Online-Musikdienst
Spotify vor. Seitdem kann man in Ford-Fahrzeugen über das Internet Musik hören
– das gab es vorher nur in Oberklasselimousinen. Künftig können Mulallys Kunden
zudem von einer ADAC-App Routenbeschreibungen und freie Parkplätze in Echtzeit
anzeigen lassen sowie über die Anwendung „Aha“ mehr als 30 000 Radiosender über
das Internet hören.
Noch werden die Smartphones benutzt, um die Autos mit
dem Internet zu verbinden. Hier kommt es nicht darauf an, ob dieser ein
besonderes Betriebssystem nutzt. Gleichgültig ob Android, Windows, Apple oder
Blackberry – die Ford-Elektronik kommt nach den Worten von Mulally mit allen
diesen Telefonen klar: „Auf diese Weise profitieren wir von den sehr viel
schnelleren Innovationszyklen in der Konsumelektronik. Langfristig werden wir die Autos selbst ans Mobilfunknetz
anschließen“, sagt Mulally. Der Vorteil einer eigenen Internetadresse für das
Fahrzeug besteht in der Unabhängigkeit von den mobilen Endgeräten. Der Nachteil sind allerdings die höheren Kosten. Ganz
nebenher will Mulally auf diesem Weg seine Bemühungen vorantreiben, die Marke
Ford moderner daherkommen zu lassen, als dies in früheren Jahren der Fall war.